teilen & teilen lassen
‚Es fällt mir schwer darüber zu sprechen, weil ich Angst habe, was andere denken‘. Solche und ähnliche Sätze habe ich zu genügen gehört und auch selbst verwendet.
Einige von euch haben schon ein paar meiner Blogs oder auch Posts gelesen, somit ist es euch nichts neues, dass ich gerne das Kind beim Namen nenne, oder manche würden sagen mit der Tür ins Haus falle. Eins kann ich euch versichern, bevor ich die Tür niedertrete, mache ich mir fast zu viele Gedanken über ein Thema. In diesem Fall waren es knappe sieben Monate, zwei Wochen und drei Tage.
Und das verrückte, ich kann mich noch an den Moment erinnern vor sieben Monate, zwei Wochen und drei Tage, an denen ich gedacht habe, jetzt sprichst du es direkt an und thematisierst es.
Ich möchte dieses Thema gerne als ein klares herausstellen und es zum Teil auch etwas nutzen für eine generelle Ansage in Bezug auf das Teilen von Gedanken vs. Das Teilen von Fakten/Statements.
Aber, bevor ich mich verliere (ich war schon immer grauenvoll im Inhaltsangaben schreiben, das wurde auch im Deutsch LK nicht besser) ich möchte über Schwangerschaft sprechen bzw. Schwanger werden, Kinder bekommen, Gesellschaftliche Erwartungshaltung und das ganze Kuddel Muddel Thema rund ums Baby. Früher hätte ich diese Worte selbst gelesen, hätte ich vermutlich direkt geskipped, aber ich würde mir wünschen, dass wir alle egal ob Mann, Frau, mit oder ohne Kind, Kinderwunsch uns einmal diese Worte und Gedanken durch den Kopf gehen lassen.
Ich bin heute 37 und ich habe, wie auch schon oft geschrieben und erzählt die letzten Jahre damit verbracht mich auf meine Karriere zu konzentrieren, ich bin ein kleines Performance getriebenes Pferdchen und irgendwie, rückblickend war ich auch zu keinem Zeitpunkt wirklich bereit mein kleines Rennen zu unterbrechen um mich privateren Gedanken zu widmen.
Es gab Jahre an denen zogen Gedanken wie Kinder absolut an mir vorbei, in Südafrika, wo ich über 10 Jahre gelebt habe, fängt die Familienplanung etwas früher an. Es war normal das einige meiner Freunde und Bekannte mit 25 heirateten und als nächsten Schritt Kinder bekommen wollten.
Ihr seht schon an meiner Formulierung, Kinder bekommen wollten, schon damals, wenn auch absolut nowhere so offensichtlich und klar, wie es mir heute ist, schien es ein ‚Projekt‘ zu sein, eine Aufgabe, ein Punkt auf der Liste und eine Herausforderung. Erfahrungsberichten nach zu urteilen, wurde man nicht einfach schwanger. Terminkalender wurden gezückt, Jobwechsel geplant, Finanzen gecheckt, mit Freunden getimed und abgesprochen und wenn es dann ans eigentliche Entscheidende ging, dann fand man sich oftmals konfrontiert mit biologischen Herausforderungen und das Planen ging weiter. Während ich wie gesagt, damals noch nicht viele Gedanken in Bezug auf Familienplanung gelegt habe, aus Gründen wie oben beschrieben, habe ich als stiller unerfahrener Beisitzer viele wunderschöne freudige Nachrichten miterleben dürfen und auch sehr viel Trauer, Schmerz, Verzweiflung und Druck, einen enormen Druck.
Vermeintlicher Druck aus der Gesellschaft, Druck von Partnern, Druck durch demografisch verändernde Freundeskreise und vor allem Druck von uns ganz selbst gemacht.
Die Art und Weise wie wir unser Leben planen und kontrollieren, auf alles vorbereitet sein wollen.
Die Dinge müssen passen, in unseren Zeitplan und neben dem dadurch entstehenden Druck an uns vergessen wir das wir einfach keine Maschinen sind UND es kein Lebensvorlage gibt, die auf uns alle passt. Wie oft wir doch die Individualität feiern, sie fördern und ob grün, pinke oder lila Haare, ob homo, hetero, sagen Liebe ist Liebe und dann, wenn es drauf ankommt, doch fast alle mit dem Strom schwimmen wollen. Bloß nicht auffallen, nicht anders sein oder Themen ansprechen und aussprechen, die so menschlich und echt sind. Themen, die uns verbinden und das kam mir heute morgen ‚sharing ist auch selfcaring‘.
Ein Thema, Kinder. Wieso ich den ganzen Anfang hier geschrieben habe, alle mentalen und physischen Schritte vor dem Kinder bekommen, der Schwangerschaft, den Gesprächen und Gedanken haben so unheimlich viele Facetten und diese beinhalten neben, das für manche schönste Geschenk eines Kindes, auch oftmals sehr viel Schmerz, schwere Entscheidungen und dunkle Täler.
Genau diese Facetten werden von uns selbst unter den Teppich gekehrt. Individualität muss vermeintlichen gesellschaftlichen Normen weichen und es entstehen Ängste wie:
‚Es fällt mir schwer darüber zu sprechen, weil ich Angst habe, was andere denken‘.
‚Ich Angst habe, dass es wieder nicht klappt, schwanger zu werden und alle voller Erwartung auf das Ergebnis warten‘
‚Ich keine Kinder möchte‘
‚Es mir wehtut zu hören, dass alle schwanger werden und ich immer noch Single bin‘
Wenn ich ehrlich bin, könnte ich sehr viele Beispiele aufzählen, die ich über die Jahre gehört und selbst gefühlt habe.
Ich bin mir sicher, egal ob Mann oder Frau wir finden uns fast alle wieder in einem Angstgedanken, den wir along the lines irgendwann mal hatten und nicht darüber gesprochen haben, denn wir dachten es gehört sich nicht oder es ist besser zu schweigen.
Ob in Bezug auf Kinder oder andere Themen es ist sehr gesund Gedanken zu teilen. Jedoch bedarf es, dass ich keine Angst habe es zu teilen und das derjenige mir gegenüber auch erlaubt diese Gedanken, auch wenn sie sich von seinen eignen unterscheiden, teilen zu dürfen.
Welcome, das war ein echter Irene-Gedanken-Kuddel-Muddel. An einem sehr persönlichen Beispiel erklärt.
Ich war einige Jahre Single, in einer Zeit, in der viele meiner Freunde Familien gründeten und gefühlt mit jedem Jahr Ü30, knabberten Gedanken an mir, vergleichbar mit Neid. Eine Freundin wurde schwanger und ich tat mir schwerer und schwerer mich zu freuen, nicht weil ich es ihr nicht gönnte, sondern weil ich tieftraurig darüber war, ob ich je dieses Glück erfahren darf. Der Schmerz blockierte die Freude und Schuldgefühle übermannten mich. Was ich doch für eine schlechte Freundin bin, egoistisch und grausam. Ich zog mich zurück, weil ich Angst hatte diese Gefühle zu teilen. Wie reagiert meine Freundin und wie sieht mich die Welt mit dieser Angst in mir.
Egal auf welcher Seite wir stehen, Ängste, Schmerz, Freude in uns oder konfrontiert damit.
Indem wir uns erlauben unsere Gedanken und Gefühle zu teilen, ohne zu urteilen, schaffen wir den Raum, den wir brauchen, um gesund zu bleiben und zu heilen.
UND neben uns selbst zu ermutigen uns mehr zu öffnen ist es genauso wichtig auch anderen den Raum zu geben sich mitteilen zu dürfen.
Wir ziehen unsere Dämonen gemeinsam ins Licht, holen den Dreck unterm Teppich hervor und brechen Tabuthemen so das Genick. Ich habe ein starkes Bedürfnis zu sagen, lasst uns neben Fakten und Statements mehr Gedanken und Gefühle teilen.
Wo Fakten und Statements geschlossene Fälle sind, geben Gedanken und Gefühle die Möglichkeit neues zu lernen, weiterzukommen und sich aktiv daran zu beteiligen.
Zum Beispiel war es ein wunderschöner Fakt für uns, dass wir ein Kind erwarten. Ich hätte die Welt umarmen können und gleichzeitig gingen mir exorbitant viele Gedanken durch den Kopf.
Genau sieben Monaten, zwei Wochen und drei Tage brauchte ich, um zu realisieren, dass meine Gedanken, vielleicht manch einem helfen könnten besser zu verstehen, zu verarbeiten, weiterzukommen, sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen, schlecht zu fühlen und auch um wieder erinnert zu werden, dass wir alle Gedanken und die sich daraus entwickelnden Ängste, Schmerz, Freude, in uns tragen.
Gedanken und Gefühle, die absolut individuell sind, sich jedoch in der Herangehensweise, um sie zu bewältigen, zu lösen fast alle mit einem Gespräch beginnen.
Love
Irène